Selbstbewusstsein bei Kindern stärken: Praxisnahe Tipps für Erzieher


28.07.2022

Während manche Kinder ohne Scheu auf Menschen zugehen, sind andere deutlich zurückhaltender. Der Hintergrund ist dabei nicht nur Temperament, sondern auch das Selbstbewusstsein, das sie durch die Erziehung und Beziehung mit Erwachsenen bekommen. Insbesondere den Eltern kommt eine besondere Rolle zu, wenn es darum geht, das Selbstbewusstsein bei Kindern zu stärken, schließlich sind sie die engsten Bezugspersonen. 

Doch auch als Erzieher können Sie Einfluss auf das Selbstbewusstsein der Kinder nehmen, je nachdem, wie sie mit ihnen umgehen. Das Selbstbewusstsein kann gezielt gestärkt werden, wenn Sie sich darüber klar werden, wie es entsteht und in welchen Situationen Sie es bewusst fördern können.  

Was ist ein gesundes Selbstbewusstsein bei Kindern?

Ein gesundes Selbstbewusstsein ist eine der wichtigsten Grundlagen, die Sie Ihren Kindern mitgeben können. Selbstbewusste Kinder, die mit einem guten Selbstwertgefühl ausgestattet sind, haben es im Leben meist leichter. Ihr Selbstbewusstsein hilft ihnen im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter bei sich zu bleiben und die Herausforderungen des Lebens besser meistern zu können. Sie wissen, wer sie sind und können ihre Stärken und Schwächen akzeptieren.

Selbstbewusstsein ist nicht angeboren, sondern kann erlernt werden. Eltern und Erzieher können einen großen Einfluss darauf haben, wie stark das Selbstbewusstsein ausgeprägt ist. 

Wobei hilft Kindern ein gesundes Selbstbewusstsein?  

Ein gesundes Selbstbewusstsein hilft Kindern dabei, 

  • Neugierig und ohne große Scheu die Welt zu erkunden
  • Beziehungen zu regulieren und auf andere zugehen zu können
  • Dinge für sich einzufordern
  • Sich selbst zu verteidigen
  • Den Alltag zu bewältigen. 
  • Im Jugendalter und auch später Versuchungen zu widerstehen, wie zum Beispiel Rauchen oder Drogen. 
  • In der Schule gut zurechtzukommen und Freundschaften zu knüpfen.

Selbstbewusste Kinder sind in der Regel auch zufriedene Erwachsene, die im Leben gut zurechtkommen.

Wie wirkt sich das in der Kindheit erlernte Selbstbewusstsein auf das Leben aus?

Die Grundlagen, die in der Kindheit in Sachen Selbstbewusstsein gelegt werden, ziehen sich durch das ganze Leben. Selbstbewusste Menschen…

  • …leiden seltener unter psychischen Problemen.
  • …sind häufig kreativer, da sie mehr ausprobieren und offen für Neues sind.
  • …sind beruflich oft erfolgreicher, da sie ihre Stärken kennen und ihre Schwächen akzeptieren.
  • …haben glückliche Beziehungen, sowohl zu Freunden als auch in der Partnerschaft.
  • …stehen stärker für sich ein und sind dadurch meist zufriedener.
  • …haben weniger Ängste, da sie an sich glauben und wissen, dass sie auch Herausforderungen meistern können.
  • …gehen offener auf Menschen zu und haben dadurch auch häufig mehr Freunde.

Natürlich kann es im Leben immer Situationen geben, die das Selbstbewusstsein erschüttern. Entscheidend ist daher, es schon im Kindesalter zu stärken und zu festigen, um den Kindern das Rüstzeug für später mitzugeben.

10 Tipps: Wie stärken Sie das Selbstbewusstsein bei Kindern? 

Eine entscheidende Grundlage des Selbstbewusstseins bei Kindern ist, dass sie sich geliebt fühlen. Diese Rolle kommt in erster Linie den Eltern zu. Schon im Babyalter beginnen Kinder, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln, zu Beginn natürlich noch unterbewusst. Mit den Jahren verstärkt sich dieses Gefühl, wenn Kinder immer wieder das Gefühl zu spüren bekommen, dass sie wichtig und bedeutsam sind. 

Dabei geht es nicht darum, Kinder übermäßig zu loben, sondern vielmehr sie ernst zu nehmen, ihre Wünsche zu respektieren und sie in ihrem Verhalten zu bestärken. Das können nicht nur die Eltern, sondern auch Erzieher können dazu beitragen.

  1. Schutzraum bieten: Gehen Sie aktiv auf das Kind zu und bemühen Sie sich um eine gute Beziehung. Auf diese Weise vermitteln Sie Wertschätzung, Respekt, Verständnis. Bieten Sie Ihre Unterstützung dabei an, wenn es Neues lernen will und bieten Sie Hilfe an, wenn es sich nicht gut fühlt oder in Gefahr ist. Dieser Schutzraum ist für das Kind elementar, um sich selbst als kompetent und wertvoll zu erleben.
  2. Stärken Sie Freundschaften: Der Kontakt zu Gleichaltrigen und das Spielen mit anderen, ist für Kinder wichtig. Nicht jedem Kind gelingt es, eigenständig Freundschaften zu knüpfen. Unterstützten Sie daher Kinder dabei, das Spielen mit anderen Kindern anzubahnen. Finden Sie Gemeinsamkeiten und bringen Sie die Kinder so zusammen: „Tina hat auch schon mal so einen hohen Turm gebaut wie du. Sicher macht es viel Spaß, mit ihr gemeinsam zu bauen!“
  3. Echtes Lob: Übermäßig zu loben kann dazu führen, dass Kinder sich überschätzen. Loben Sie daher nur, wenn es authentisch ist. Besonders wirkungsvoll ist dieses Lob, wenn es von anderen ausgesprochen wird, de Wichtigkeit des Kindes unterstreicht oder eine Besonderheit verdeutlicht.
  4. Stolz erzeugen, aber Überforderung vermeiden: Lassen Sie Kinder kleine Tätigkeiten verrichten, auf die sie anschließend stolz sein können. Lassen Sie sie beispielsweise eine Notiz übermitteln, ihre Spielsachen zusammenräumen oder dabei helfen, etwas zu schmücken. Stolz erzeugt Selbstvertrauen, dank des Gefühls, etwas alleine geschafft zu haben. Bedanken Sie sich auch bei dem Kind für die Hilfe. Wenn Sie allerdings merken, dass die Kinder auf die gestellte Aufgabe mit Rückzug reagieren, dann üben Sie keinen Druck aus. Begleiten Sie sie bei der Aufgabe und meistern Sie sie gemeinsam. 
  5. Gefühle ernst nehmen: Ein Kind, das traurig ist oder sich wehgetan hat, sollten Sie nicht versuchen abzulenken. Nehmen Sie stattdessen die vorhandenen Gefühle ernst und sagen Sie dem Kind, dass Sie es verstehen. So lernt es, über Gefühle zu sprechen und erfährt Akzeptanz darin, es selbst zu sein und Gefühle zu äußern. 
  6. Nach der Meinung fragen: Fragen Sie Kinder, was Sie über eine Sache denken und welche Meinung Sie zu etwas haben. Nehmen Sie die Antwort ernst und gehen Sie in den Dialog. Wenn Kinder sich ernst genommen fühlen in dem, was sie sagen, gibt Ihnen das Vertrauen, dass ihre Meinung zählt und sie geschätzt werden. 
  7. Sie laut sein lassen: Kinder müssen nicht leise sein, nicht still sitzen und sich nicht beherrschen. Es sind Kinder, die neugierig sind und sich ausprobieren wollen. Lassen Sie sie toben und ihrem Drang nachgehen. So fühlen Sie sich darin bestärkt, dass ihre Wünsche und ihr Verhalten akzeptiert werden. 
  8. Entschuldigen Sie sich: Wenn Sie etwas gemacht haben, dass dafür sorgt, dass ein Kind weint oder traurig ist, entschuldigen Sie sich. So lernen Kinder, dass jeder Mensch Fehler macht und dass man sich für diese entschuldigen kann.
  9. Bestärken und ermutigen Sie: Wenn ein Kind vor einer Herausforderung steht, bestärken Sie es darin, dass es das schafft. Nehmen Sie ihm nicht sofort die Arbeit ab, sondern lassen Sie es selbstständig sein. Geben Sie ihm außerdem das Gefühl, dass Sie da sind, falls etwas nicht klappt. So bekommt es die Sicherheit, Dinge auszuprobieren und erfährt Bestätigung, wenn es Herausforderungen alleine meistert. Dadurch wächst das Selbstvertrauen und das Kind erlangt mehr Selbstbewusstsein.
  10. Kritisieren Sie sachlich: Natürlich dürfen Sie Kinder auch kritisieren – achten Sie jedoch darauf, dass Sie nicht persönlich werden. Sagen Sie: „Es wäre schön, wenn du deine Spielsachen wegräumen könntest“, anstatt „Es nervt mich, dass du so ein unordentlicher Typ bist“. Das gibt Kindern nicht das Gefühl, dass ihre Persönlichkeit kritisiert wird.

Sechs lachende, glückliche Kinder
Lachende, glückliche Kinder | adobe stock – contrastwerkstatt

5 Tipps für Erzieher: Wie geht man mit schüchternen (Kita)-Kindern um?

Als Erzieher haben Sie verschiedene Möglichkeiten, wie Sie am besten mit schüchternen (Kita)-Kindern umgehen. Sie einzubinden und ihre individuellen Bedürfnisse zu sehen, ist herausfordernd. Doch es gibt Möglichkeiten:

  • Tipp 1: Stellen Sie die positiven Eigenschaften des Kindes in den Vordergrund und betonen Sie nicht seine Schüchternheit. Fördern Sie auch die anderen Charaktereigenschaften, die das Kind ausmachen, wie zum Beispiel Großzügigkeit oder Hilfsbereitschaft. Wenn Sie immer wieder sagen „Du bist aber schüchtern“ oder „Sei doch nicht immer so schüchtern“, dann fühlt sich das Kind auf diese eine Eigenschaft reduziert. Sagen Sie lieber: „Weißt du noch, letzte Woche, als du dich erst nicht getraut hast mit Pia zu spielen und dann bin ich bei dir geblieben und du hast dich wohlgefühlt und dann hattest du ganz viel Spaß mit ihr.“ 
  • Tipp 2: Sprechen Sie die Schüchternheit nicht vor anderen an. Wenn Sie das Kind anderen vorstellen und direkt sagen „Das ist Tom, er ist total schüchtern“, dann wird ihn das nicht positiv bestärken. Auch sollten Sie dafür sorgen, dass sich ein schüchternes Kind nie für seine Schüchternheit schlecht fühlt. 
  • Tipp 3: Bestärken Sie kleine Erfolgserlebnisse und erinnern Sie schüchterne Kinder immer wieder an Dinge, die Ihnen gut gelungen sind. Das bestärkt sie darin, wieder Neues auszuprobieren und trainiert ihr Selbstbewusstsein.
  • Tipp 4: Geben Sie schüchternen Kindern die Zeit, die sie brauchen. Nur weil ein Kind zunächst Probleme hat, in einer Gruppe mit anderen zu spielen, heißt das nicht, dass das immer so sein wird. Manchmal braucht es einfach Zeit, bis sich Kinder in einer Gruppe wohlfühlen. Drängen Sie sie daher nicht, sondern akzeptieren Sie, dass manche Dinge Zeit brauchen.
  • Tipp 5: Bereiten Sie schüchterne Kinder auf besondere Situationen vor. Das Sommerfest in der Kita, das gemeinsame Basteln für St. Martin oder die Ostereiersuche – fragen Sie das Kind im Vorfeld, welche Situation ihm Sorge bereitet und geben Sie ihm das Gefühl, dass Sie da sein werden. Überlegen Sie gemeinsam weitere Strategien: „Zu welchem anderen Kind könntest du gehen, wenn du dich unwohl fühlst, damit es dir dann besser geht?“ oder „Du kannst auch einfach nur zuhören oder Fragen stellen, du musst nicht selbst etwas erzählen.“

Was ist der Unterschied zwischen schüchtern und introvertiert?

Schüchternheit und Introvertiertheit werden oft verwechselt. Dabei meinen die Begriffe zwei unterschiedliche Dinge. Wer schüchtern ist, ist insbesondere in neuen Situationen vorsichtig und zögert länger. Schüchterne Kinder haben Schwierigkeiten, schnell und offen auf neue Leute oder neue Herausforderungen zuzugehen und fühlen sich bei sozialer Interaktion oft unwohl – sie machen lieber kleinere Schritte. Schüchterne Kinder können trotz ihrer Ängste aber dennoch selbstbewusst sein und Schüchternheit lässt sich überwinden, indem die sozialen Ängste überwunden werden.

Introvertiertheit ist keine Frage des Temperamentes, sondern bezieht sich darauf, woher jemand seine Energie zieht. Introvertiertheit bezeichnet eine nach innen gewandte Haltung. Während extrovertierte Menschen Kraft daraus ziehen, sich mit vielen Menschen zu umgeben, so gewinnen Introvertierte mehr Energie, wenn sie für sich sind, ein Buch lesen und wenig Reize von außen haben. Doch auch introvertierte Charaktere können selbstbewusst sein und sind nicht zwingend schüchtern. Vielmehr geht es darum, dass sie ihre Akkus mit Ruhe besser aufladen können als mit Trubel um sich herum.

Übungen für die Kita: Selbstbewusstsein von Kindern gezielt stärken

Setzen Sie auf ausgewählte Übungen, um das Selbstbewusstsein von Kindern zu stärken. 

Übung 1 – Komplimente: Lassen Sie die Kinder in Ihrer Kita einander Komplimente machen. Setzen Sie sich in einen Kreis und anschließend soll jedes Kind einem anderen Kind etwas Positives sagen und etwas Nettes hervorheben, was diese Person heute gut gemacht hat. Anschließend sagt jedes Kind auch einen positiven Satz über sich selbst. Selbstbewusste Sprüche über sich zu äußern, ist für die meisten Kinder erst einmal ungewohnt, steigert aber das Selbstbewusstsein und lässt die Kinder sich innerhalb der Gruppe wohlfühlen. Das tut auch schüchternen Kindern gut und lässt sensible Kinder stärker werden.

Übung 2 – Sternenposter: Gestalten Sie mit den Kindern in der Kita Poster, in denen ihre positiven Eigenschaften eingetragen werden. Malen Sie in die Mitte einen großen Stern und lassen Sie das Kind die Eigenschaften aufzählen, die es selbst gut kann. Ergänzen Sie um Eigenschaften, die es aus Ihrer Sicht gut kann und tragen Sie alles ein. Malen Sie rund um den großen Stern lauter kleine Sterne, in die Sie eintragen, was das Kind gerne noch alles können würde. Hängen Sie diese Poster auf. Jedes Mal, wenn wieder eine neue Fähigkeit erlernt wurde, schreiben Sie diese mit einer anderen Farbe in den großen Stern, sodass das Kind sehen kann, wie dieser immer voller wird.

Übung 3 – Körperbild: Arbeiten Sie mit einer Malvorlage des menschlichen Körpers und geben Sie jedem Kind zwei verschiedenfarbige Stifte. Lassen Sie die Kinder zunächst alle Körperstellen ausmalen, die Sie an sich mögen. Anschließend werden mit der anderen Farbe die Stellen ausgemalt, die die Kinder nicht an sich mögen. Nun wird darüber gesprochen, warum das Kind eventuell Stellen an sich nicht mag. Legen Sie insbesondere den Fokus darauf über die Stellen zu sprechen, die das Kind mag. Bestärken Sie und konzentrieren Sie sich auf das Positive, denn das hilft dabei, Selbstbewusstsein aufzubauen. 

Fazit: Das Selbstbewusstsein von Kindern lässt sich aktiv stärken

Als Erzieher können Sie entscheidend dazu beitragen, Selbstbewusstsein von Kindern aufzubauen und zu steigern. Mit gezielten Übungen, aber auch mit Ihrem alltäglichen Verhalten den Kindern gegenüber können Sie die Kinder bestärken und das Selbstbewusstsein trainieren. Besonders herausfordernd ist der Umgang mit schüchternen Kindern, doch auch dafür gibt es Methoden, mit welchem Verhalten Sie die Kinder bestärken können. 

Entscheidend ist, dass Sie Schüchternheit nicht mit Introvertiertheit verwechseln, denn dabei geht es nur darum, wie Kinder neue Energie schöpfen. Doch auch schüchterne Kinder können selbstbewusst sein – entscheidend ist, Ihr Selbstbewusstsein zu trainieren. Mit verschiedenen Übungen in der Kita haben Sie Methoden an der Hand, die auf den Aufbau von Selbstbewusstsein abzielen. Bauen Sie diese regelmäßig ein und unterstützen Sie die Kinder so in Ihrem Wachstum. 


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