Trotzphase: So begleiten Sie als Erzieher die Autonomiephase


08.05.2023

Wenn Ihr Kind plötzlich auf vermeintliche Kleinigkeiten mit Schreien, Weinen oder Wutanfällen reagiert, dann ist das ein Anzeichen dafür, dass die Trotzphase losgeht. Die Trotzphase wird auch Autonomiephase genannt und ist für Eltern und Erzieher herausfordernd. 

Ab welchem Alter beginnt die Trotzphase bei Kindern?

Die Trotzphase beginnt bei Kindern üblicherweise mit etwa zwei Jahren. Sie kann auch schon mit 18 Monaten beginnen oder etwas später als mit zwei Jahren. Das typische Trotzalter geht aber von zwei bis vier Jahren. Bei manchen Kindern hält die Trotzphase sogar bis zum sechsten Lebensjahr an – von Kind zu Kind ist das genaue Trotzalter aber verschieden. 

Wie lange dauert die Trotzphase bei Kindern?

Nicht nur wann sie beginnt, sondern auch wie lange sie anhält, ist je nach Kind unterschiedlich. Sie kann aber bis zu drei Jahre andauern, weshalb es für Eltern und Erzieher wichtig ist, diese Phase zu verstehen und die Kinder in dieser Zeit gut zu begleiten. Schließlich handelt es sich nicht nur um eine kurze Laune, sondern um eine wichtige Entwicklungsphase, in der Kinder ihre Autonomie entdecken.

Warum ist die Trotzphase so wichtig?

Während der Trotzphase entdeckt das Kind seine Selbstständigkeit sowie seinen eigenen Willen. Plötzlich will es sich selbst die Schuhe ausziehen, verweigert den Mittagsschlaf oder bekommt einen Wutfanfall, wenn sie ihm nicht die Schokolade geben, die es gerne haben will. Kinder erfahren in diesem Alter, dass es Grenzen und Regeln gibt und müssen erst lernen, damit umzugehen. Auch stoßen sie an ihre eigenen Grenzen, wenn etwas nicht so klappt, wie sie sich das vorstellen, weil zum Beispiel ihre motorischen Fähigkeiten noch nicht ausreichen. Der Trotz ist für die Kinder der Weg, Enttäuschung oder Frust auszudrücken. Andere Reaktionen müssen sie erst noch lernen. 

Die Trotzphase ist eine wichtige Phase, da die Kinder durch sie erfahren, wie sie ihre Gefühle regulieren und äußern können. Bis zum sechsten Lebensjahr vollzieht sich ein Großteil der emotionalen Entwicklung von Kindern. Trotzreaktionen können ein Zeichen dafür sein, dass in einigen Bereichen noch keine ausreichenden Kompetenzen erworben wurden, um Gefühle zu regulieren oder anders zu äußern als mit Wut und Trotz. Im Laufe der Trotzphase lernen sie, innere Spannung konstruktiver auszudrücken, sodass diese besser gelöst werden können. 

Was sind typische Auslöser für Trotzanfälle?

Die kleinsten Kleinigkeiten können bei Kindern in dem Alter Trotz auslösen, darunter:

  • der Wunsch, Dinge selbst zu machen, wie Jacke oder Schuhe anziehen, irgendwo hochklettern und mehr.
  • wenn sie plötzlich beim Spielen unterbrochen werden. 
  • wenn sie gebeten werden etwas zu tun oder zu lassen. 
  • wenn Dinge anders laufen als gedacht. 
  • wenn andere Personen ihren Wünschen nicht nachkommen – „Ich will aber“ ist ein typischer Ausruf. 
  • wenn sie nicht verstehen, warum es Verbote, Regeln oder Grenzen gibt.

Auch Hunger, Durst oder Müdigkeit können zu Trotzreaktionen führen.

Was sind typische Verhaltensweisen?

Typische Verhaltensweisen in der Trotzphase sind:

  • Wutanfälle
  • Aggressives Verhalten
  • Schreien
  • Weinen
  • Häufiges „Nein“-Sagen
  • Verweigerung, Dinge zu tun
  • Mit den Füßen auf dem Boden aufstampfen
  • Sich verkriechen
  • Sich losreißen und weglaufen

Für Eltern und Erzieher sind diese Verhaltensweisen herausfordernd. Am Ende sind sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen nach solchen Gefühlsausbrüchen häufig erschöpft und insbesondere für die Erwachsenen stellt sich in solchen Situationen oft die Frage, ob sie etwas falsch gemacht haben. 

Wichtig: Es handelt sich um normale Reaktionen im Rahmen einer normalen Entwicklungsphase. Machen Sie sich keine Vorwürfe und geben Sie sich nicht die Schuld für die Trotzreaktion.

Wie gehen Sie mit einem trotzigen Kind am besten um? 8 Tipps 

Um die Trotzanfälle des Kindes zu begleiten, sollten Sie dem Kind mit Empathie begegnen. So bestärken Sie das Kind, geben ihm das Gefühl auch mit seinen Gefühlen gut aufgehoben zu sein und fördern Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft. 

  1. Tipp: Lassen Sie die Kinder ausprobieren und eigene Erfahrungen machen und sagen Sie nicht immer Nein. So reduzieren Sie die Wahrscheinlichkeit von Trotzanfällen. Außerdem lernt das Kind Selbstwirksamkeit und wird in seinem Selbstbewusstsein gestärkt, wenn das Ausprobieren erfolgreich war. 
  2. Tipp: Bereiten Sie die Kinder auf Situationen vor, damit sie nicht im Moment des Geschehens mit ihren nicht kontrollierbaren Gefühlen konfrontiert werden. Falls das Kind zum Bespiel am Mittag in der Kita nicht wie üblich vom Vater, sondern von der Oma abgeholt wird, erklären Sie das dem Kind schon vorher. Wissen Kinder, was auf sie zukommt, können sie sich leichter darauf einstellen und lehnen sich weniger dagegen auf. 
  3. Tipp: Wenn das Kind Bestrebungen nach Selbst- und Eigenständigkeit zeigt, sollten Sie diese so oft es geht zulassen. Lassen Sie das Kind sich selbst die Schuhe oder Jacke anziehen, beim Bettenmachen helfen oder den Tisch decken. Das Tempo sollte das Kind selbst wählen.
  4. Tipp: Versuchen Sie es mit Ablenkung, bevor der Trotzanfall losgeht. Da weinende und schreiende Kinder erstmal nicht mehr erreicht werden können, sollten Sie in typischen Situationen, die Trotzanfälle auslösen können versuchen, den Kindern etwas Spannendes zu zeigen oder ihnen etwas anderes zu erzählen, sodass sie sich gar nicht erst in die Situation reinsteigern können.
  5. Tipp: Als Erzieher sollten Sie regelmäßig mit den Eltern sprechen, schließlich kommen Trotzanfälle sowohl zuhause als auch in der Kita vor. Überlegen Sie gemeinsam mit den Eltern, wie Sie schwierige Situationen meistern können und geben Sie den Eltern Tipps für den Umgang mit dem Trotz zuhause. 
  6. Tipp: Liegt ein Kind schreiend oder weinend auf dem Boden, bleiben Sie in der Nähe, aber geben Sie dem Kind seinen Raum. Achten Sie darauf, dass es sich selbst oder andere nicht verletzt, und versuchen Sie, Körperkontakt herzustellen. Lässt es sich noch nicht beruhigen, lassen Sie es noch etwas toben und geben Sie ihm aber das Gefühl, dass Sie da sind, um es zu trösten, wenn es dafür bereit ist. 
  7. Tipp: Haben Sie einmal „Nein“ gesagt, bleiben Sie auch dabei. Wechselnde Grenzen verwirren die Kinder nur noch mehr. Sie sollen lernen, dass ihr Trotz das Verhalten von Erwachsenen nicht beeinflussen kann und dass es klare Regeln gibt. 
  8. Tipp: Vermeiden Sie, bei Trotzanfällen ebenfalls mit Trotz und Wut zu reagieren. Schreien Sie das Kind nicht an. Geben Sie ihm das Gefühl, dass Sie bei ihm sind, es in seinen Emotionen begleiten und es in den Arm nehmen, wenn es dazu bereit ist. Reagieren Sie laut und schreien, kann sich das negativ auswirken und die Situation noch verschlimmern. Außerdem lernen Kinder so nicht, wie sie Gefühle anders äußern können als durch Wut. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und bleiben Sie ganz ruhig.

3 Praxisbeispiele: Wie reagieren Sie richtig?

In der Praxis richtig zu reagieren, ist im Überschwang der Emotionen oft gar nicht so leicht. Mit etwas Übung erkennen Sie aber die Situationen und können Ihre Reaktion daran anpassen:

  1. Nein sagen und Alternativen anbieten: Falls das Kind etwas zu Gefährliches machen will, wie alleine eine Leiter hochzuklettern, bleiben Sie bei Ihrem Nein, aber bieten Sie dem Kind eine Alternative an: „Wie wäre es, wenn du stattdessen alleine auf die Rutsche darfst?“. 
  2. Grenzen aufzeigen: Will das Kind dabei helfen, nach dem Mittagessen den Tisch abzuwischen, Sie haben das aber bereits einem anderen Kind versprochen, dann bleiben Sie bei Ihrem Nein. So zeigen Sie Grenzen auf. Sagen Sie: „Ich weiß, dass du gerne den Tisch abgewischt hättest. Du kannst das ja schon richtig gut, das habe ich schon gesehen. Aber du weißt, dass heute Lukas dran ist, er möchte auch einmal an der Reihe sein.“
  3. Authentisch sein: Wenn Sie sich über etwas ärgern, z. B. während eines Trotzanfalls des Kindes, dann zeigen Sie diesen Ärger auch. Die Kinder lernen dadurch, dass unangenehme Gefühle wichtig sind und geäußert werden dürfen. Beispiel: Ein Kind schlägt während eines Anfalls um sich. Dabei trifft es ein danebensitzendes Kind, das nun auch zu weinen beginnt. Sagen Sie: „Ich verstehe, dass du wütend bist. Aber ich finde es nicht in Ordnung, dass du so sehr um dich schlägst, dass auch andere Kinder verletzt werden. Ich muss dich nun etwas beiseitesetzen.“

Woran erkennen Sie, dass die Trotzphase gut verlaufen ist?

Die Trotzphase ist ein wichtiger Entwicklungsschritt im Leben der Kinder. Verläuft die Trotzphase eines Kindes gut, lernt es in dieser Zeit viele wichtige Dinge im Rahmen der emotionalen Entwicklung:

  • Es hat seinen eigenen Willen entdeckt und entwickelt
  • Es hat gelernt, dass Konflikte zu Spannungen führen können und es hat gelernt, dass diese Spannungen ausgehalten werden können.
  • Es hat gelernt, dass Konflikte Teil des Lebens sind und nicht bedeuten, dass Bezugspersonen es nicht mehr liebhaben. 
  • Es hat gelernt, dass es okay ist, Gefühle zu zeigen.

Fazit: Erkennen Sie die Trotzphase als einen wichtigen Entwicklungsschritt an 

Die Trotzphase ist herausfordernd. Wichtig ist, dass Sie wissen, dass Wutanfälle von Kindern zwischen zwei und vier normal sind und nicht an Ihnen liegen. Begleiten Sie die Kinder in Ihren Emotionen, zeigen Sie Grenzen auf, aber bieten Sie auch Alternativen an und geben Sie den Kindern Freiraum. So lernen Sie mit der Zeit, dass Spannungen ausgehalten werden können und auch auf andere Weise als mit Geschrei und Weinen gelöst werden können.


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