Sprechen lernen: So fördern Sie den Spracherwerb der Kita-Kinder im Alltag


11.08.2022

Leni ist 8 Monate alt und liegt lautierend auf ihrer Krabbeldecke. Der 2 Jahre alte Max läuft Ihnen hinterher, um Ihnen zu erzählen, wie er mit seinem Vater den Rasen gemäht hat. Auch der 18 Monate alte Pepe möchte sich Ihnen mitteilen. Diese Beispiele zeigen: In Ihrer Arbeit mit Kindern unter 3 Jahren sind die Entwicklungsunterschiede beim Spracherwerb besonders groß. Juchzen, Brabbeln, Gestikulieren, Zuhören, Nachahmen und schließlich Sprechen sind unterschiedliche Mitteilungsformen der Kleinkinder, die Sie wahrnehmen und fördern.

Hier sind Ihr aufmerksames Ohr und Ihr empathisches Erzieherverhalten gefragt, um jedes Kind, ausgehend von seinem aktuellen Entwicklungsstand, beim Spracherwerb zu fördern. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie Sie die Kinder im Alltag dabei unterstützen können.

Lese-Tipp: 7 Regeln für die alltagsintegrierte Sprachförderung

Nachahmung und Wiederholung fördern den Spracherwerb der Kinder

Der Schlüssel, um Sprache zu lernen, besteht aus Nachahmung und Wiederholung. Babys und Kleinkinder können sich aber nicht nur durch Brabbeln, sondern auch durch Gesten ausdrücken. Ein wichtiger Teil von Gefühlen und Wünschen erfolgt zunächst durch Gesten, beispielsweise, wenn ein Kind mit dem Finger auf etwas zeigt. Es ist wichtig, dass Sie darauf reagieren und dem Kind somit nonverbal oder verbal mitteilen, dass Sie es verstehen können.

Beachten Sie, dass sich die Areale im Gehirn, die für die Bewegung zuständig sind, vor den Arealen entwickeln, die für die Sprachentwicklung notwendig sind. Die beiden Bereiche sind eng miteinander verknüpft und benötigen eine entsprechende Förderung.

Sprechen lernen: Die Umgebung ist bedeutsam für die Sprachentwicklung des Kindes

Neben den biologischen Faktoren ist vor allem eine unterstützende Umgebung bedeutsam für die Sprachentwicklung des Kindes. Innerhalb der Lernumwelt „Kindertagesstätte“ sind das maßgeblich Sie als Erzieherin. Die Reaktionen der Umwelt entscheiden darüber, ob ein Kind sein angelegtes Sprachvermögen voll entwickeln kann oder ob es unter seinen Möglichkeiten bleibt.

Es ist wichtig, dass Sie zu dem Kind eine Beziehung aufbauen. Der Beziehungsaufbau beginnt in der Eingewöhnungsphase des Kindes und wird in den darauf folgenden Wochen und Monaten intensiviert. Stück für Stück lernen das Kind und Sie sich kennen. Mehr und mehr kann das Kind Vertrauen und Sicherheit entwickeln.

Werden Sie zum sprachlichen Vorbild für die Kita-Kinder

Mit dieser Grundlage werden Sie auch zu einem sprachlichen Vorbild für das Kind. Sie erkennen immer mehr die Interessen und Vorlieben und können entsprechend auf das Kind eingehen.

Die Art und Weise der Interaktion zwischen Ihnen und dem Kind ist für den Spracherwerb sehr bedeutsam. Sind Sie dem Kind emotional zugewandt, beeinflusst dies das Interaktionsverhalten des Kindes positiv. Das Kind spürt, ob Sie an der gemeinsamen Handlung, beim Vorlesen oder dem gemeinsamen Spiel, emotional beteiligt und interessiert sind oder nicht.

In der Interaktion mit dem Kind gibt es eine didaktisch-methodische Basis. Impulse, die maßgeblich für den Spracherwerb sind, werden in der folgende Tabelle auf beispielhaft dargestellt.

Um den Spracherwerb der Kinder zu unterstützen, ist es über den Inhalt der Tabelle hinaus jedoch auch wichtig, den Kindern immer wieder möglichst spielerische und spaßbetonte Angebote zu machen. Fingerspiele, Reime, Berührungsspiele und Lieder sind die idealen Begleiter auf dem Weg zum Spracherwerb.

Übersicht: Didaktisch-methodische Impulse zur Förderung des Spracherwerbs beim Kind

Spracherwerb bei Kita-Kindern fördern

Diese Fähigkeiten erwerben Kinder durch den Kontakt mit Gleichaltrigen

Kinder erweitern durch den Kontakt zu anderen Kindern ihre sprachlichen Möglichkeiten. Konkret lernen sie dabei,

  • über die Sprache Kontakte zu anderen Kindern aufzunehmen und aufrechtzuerhalten,
  • ihre Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken,
  • ihre Ziele und Ideen mit anderen Kindern abzustimmen,
  • sich sprachlich gegenüber anderen Kindern durchzusetzen,
  • einen Kompromiss sprachlich auszuhandeln,
  • sich in die Gedanken und Gefühle anderer Kinder hineinzuversetzen.

Gerade diese sprachlichen Fähigkeiten haben einen enormen Einfluss auf die sozial-emotionale Entwicklung des Kindes. Die Kinder lernen so, sich sozial-emotional angemessen gegenüber Spielpartnern zu verhalten. Es ist deshalb sinnvoll, dass Sie selbst sich sprachlich zurücknehmen und die Kinder möglichst selbstständig verbal miteinander in Kontakt treten. Das heißt aber nicht, dass Sie die Kinder dabei allein lassen. Beobachten Sie die Kontaktaufnahme und begleiten Sie die Situation, wenn notwendig.

Durch gemeinsame Aktivitäten den Austausch fördern

Wie gut und komplex die Kinder miteinander kommunizieren hängt davon ab, welche gemeinsamen Erfahrungen sie machen. Diese Erfahrungen dienen ihnen als Rahmen für ein Gespräch oder ein gemeinsames Spiel. Wenn die Kinder darüber hinaus noch eine gute Dialogfähigkeit haben, können sie lange miteinander kommunizieren. Dabei ist es egal, ob sie sich unterhalten, gemeinsam spielen oder ein Buch anschauen.

Wichtig: Erst ab einem Alter von vier bis fünf Jahren sind Kinder auch ohne eine gemeinsame Aktivität in der Lage, längere Dialoge zu führen. Vorher steht die gemeinsame Aktivität im Vordergrund, die zum Dialog anregt.

Bieten Sie den Kindern viele Gelegenheiten, gemeinsam aktiv zu werden. Achten Sie bei Ihren Angeboten aber nicht nur auf die Tätigkeit und das Ergebnis, sondern ebenso auf den Dialog der Kinder untereinander. Sie werden feststellen, dass die Kommunikation der Kinder so viel intensiver verläuft.

Praxisbeispiel: Sie basteln mit den Kindern selbstgestaltete Ostergeschenke. Laden Sie die Kinder ein, über ihre Erlebnisse von zu Hause zu erzählen:

  • Welche Ostervorbereitungen haben die Kinder mit ihren Eltern getroffen?
  • Was wünschen sich die Kinder zu Ostern?
  • Wie verbringen die Kinder, die kein christliches Osterfest feiern, die Zeit mit den Eltern?

Unterbrechen Sie diese wertvollen Erzählungen nicht dadurch, dass Sie zur Konzentration auf die Tätigkeit auffordern, sondern erfreuen Sie sich an den Dialogen der Kinder.

So begleiten Sie Konflikte sprachfördernd und verbessern den Spracherwerb der Kinder

Beobachten Sie die Kinder im Kontakt miteinander. Insbesondere dann, wenn Sie bemerken, dass es eine Diskussion gibt. Gehen Sie nicht sofort dazwischen, sondern schauen Sie erst, wie die Kinder das Problem sprachlich lösen. Denn in dem Moment, in dem Sie sich einschalten, nehmen Sie den Kindern wichtige Lernerfahrungen.

Wenn ein Kind um Ihre Hilfe bittet oder wenn Sie bemerken, dass die Kinder selbstständig keinen Lösungsweg finden, dann begleiten Sie den Konflikt. Lösen Sie nicht das Problem für die Kinder, sondern regen Sie die Kinder durch Fragen an, eine eigene Lösung zu finden. Dazu gehört es auch, dass Sie Lösungen akzeptieren, die für Sie ungewöhnlich, für die Kinder aber absolut akzeptabel sind.

Praxisbeispiel: Jonas und Armin, beide vier Jahre alt, spielen miteinander, indem sie im Garten hin und her laufen. Sie wetteifern miteinander, wer schneller ist. Jonas gewinnt immer und irgendwann ist Armin enttäuscht und leicht frustriert. Es sagt: „Jonas du mogelst. Du gewinnst immer.“ Jonas streitet dieses energisch ab: „Nein wir laufen gleichzeitig los.“ Plötzlich entsteht eine hitzige Diskussion zwischen den Kindern, die die Erzieherin Anne anlockt.

Sie setzt sich in einiger Entfernung hin und beobachtet das Wortgefecht. Als die Situation zu eskalieren droht, schaltet sie sich ein. Sie fragt die beiden, was passiert ist. Nachdem die Jungs erzählt haben, fragt Anne: „Wie könntet ihr dafür sorgen, dass ihr beide gleichzeitig loslauft?“ Die Jungen überlegen: „Wir brauchen jemanden, der uns ein Startsignal gibt und aufpasst, dass keiner schneller losläuft. Komm wir fragen Tim, ob er Lust hat mitzuspielen.“ Beide Jungs rennen zielstrebig auf Tim zu. Kurz drauf sieht Anne, wie die Kinder nun zu dritt weiter spielen.

Wichtig: Kinder, die es gewohnt sind, dass Erwachsene ihre Konflikte oder Probleme lösen, sind von Erwachsenen stärker abhängig. Ihre Gesprächsbeiträge in solchen Situationen sind weitaus kürzer. Sie ziehen sich schneller zurück oder akzeptieren Lösungen, die sie nicht zufriedenstellen. Fördern Sie daher unbedingt die verbale Konfliktfähigkeit der Kinder, indem Sie die Kinder Konflikte selbstständig lösen lassen. Betätigen Sie sich maximal als Mittler und nicht als Konfliktlöser.

Wie Kontakte von Kleinkindern zum Spracherwerb beitragen

Auch bei Kleinkindern, die noch über wenige sprachliche Kompetenzen verfügen, ist der Kontakt zu gleichaltrigen Kindern wichtig für einen guten Spracherwerb. Die Kleinkinder erproben ihre nonverbalen Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten. Dadurch lernen sie die Grundlagen der Kommunikation. Mit zunehmendem Wortschatz erfahren sie, welche Wirkung ihre Worte habe und testen das ausgiebig aus.

Praxisbeispiel: Anna und Luisa, zwei Kinder im Alter von anderthalb Jahren, spielen mit einem Luftballon. Sie werfen ihn immer wieder in die Luft und versuchen ihn zu fangen. Irgendwann beginnt Anna, Luisa den Luftballon abzujagen und zu einem Fangspiel anzuregen. Hierzu nimmt sie den Ballon in die Hand, wirft Luisa einen auffordernden Blick zu und rennt weg.

Nach ein paar Metern dreht sie sich zu Luisa. Sie vergewissert sich, ob Luisa die Aufforderung verstanden hat und in das Spiel einsteigt. Als Luisa nicht reagiert, dreht sie um und läuft nochmals mit dem Ballon an ihr vorbei. Nun rennt auch Luisa los und versucht den Ballon wiederzubekommen.

Durch solche Spielhandlungen lernen Kleinkinder, ihre Interessen einzubringen und auch Konflikte zu lösen. Beobachten Sie die Spielsituationen und die nonverbale Sprache der Kinder.

Nehmen Sie das gemeinsame Spiel der Kleinkinder und die Beziehung der Kinder untereinander bewusst als sprachförderliche Aktivität wahr. Unterstützen Sie die Kleinkinder dabei, untereinander Kontakt zu suchen. Wenn Kleinkinder einen Konflikt haben oder sie in einer Spielsituation involviert sind, dann begleiten Sie das.

Sprechen Sie über die Beobachtungen, Gefühle, Wünsche und Handlungen der Kleinkinder. So hören die Kinder die passenden Wörter und lernen mit zunehmendem Sprachvermögen, Situationen auch durch ihre eigene Sprache zu gestalten. So fördern Sie durch Ihre Beobachtungen, eigenen Zurücknahme und eine zielgerichtete Begleitung die Kontakte untereinander.

Welche Bedeutung haben Fingerspiele für den Spracherwerb?

  • Sie unterstützen die Sprachentwicklung und regen zum Sprechen an.
  • Sie regen die Sinne der Kinder an. Die Kinder können die Bewegungen beobachten, den gesprochenen Text hören und diesen nachsprechen.
  • Sie lassen die Kinder Freude am Hören und Sprechen verschiedener Klangmelodien entdecken, beispielsweise leise und laut, ruhig und schnell, hoch und tief.
  • Sie fördern die Konzentration der Kinder, da Text und Bewegung den Inhalt verdeutlichen.
  • Sie erweitern den Wortschatz der Kinder.
  • Sie regen dazu an, Reimwörter zu verwenden.
  • Sie können die Beziehung zwischen Ihnen und dem Kind intensivieren.
  • Sie haben einen ganzheitlichen Charakter.
  • Sie fördern die Fingerfertigkeit der Kinder.

Sprechen lernen: Welche Bedeutung haben Berührungsspiele?

Durch die Verbindung von Berührung und Sprache erlebt das Kleinkind diese Art der Zuwendung als etwas ganz Besonderes, das sich gut einprägt.

Sie festigen die emotionale Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem.

Sie unterstützen die Ausbildung von Denkstrukturen des Kindes, die für sein weiteres Sprachverständnis wichtig sind. Die Bedeutung des gesprochenen Wortes erklärt sich durch die entsprechende Berührung und kann somit leichter im Gehirn gespeichert werden.

Welche Bedeutung haben Reime? Das hilft beim Sprechen lernen

Reime können von Kindern besonders leicht verinnerlicht werden. Die Reime für Kinder können gemeinsam gesungen, gesprochen oder gespielt werden. Sie beinhalten oft Fantasieworte/Quatschworte, die keinen Sinn ergeben und aus Lautmalerei bestehen, die Kinder aber gerade dadurch in besonderem Maße ansprechen.

Kreativität beim Spracherwerb: Lieder helfen beim sprechen lernen

  • Lieder können gesungen, getanzt oder gespielt werden – der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.
  • Beim Singen werden immer mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen.
  • Die Sprache kann von den Kindern als kommunikatives und spielerisches Element erlebt werden.
  • Durch die vielfältigen Bewegungen zum Liedtext kann der Inhalt der Worte verstanden werden – auch wenn das Wort selbst noch unbekannt ist.
  • Sie sorgen für emotionales Wohlbefinden in der Krippengruppe.

Die Entwicklung der Sprache ist ein Meilenstein in der kindlichen Entwicklung. Darum ist es wichtig, vor allem im Alltag Ihren professionellen Blick auf die individuelle Sprachentwicklung der Kinder zu legen und diese entsprechend zu unterstützen.


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