5 praktische Tipps, wie Sie Flüchtlinge willkommen heißen


20.06.2017

Jetzt sind es nicht mehr nur Fernsehbilder, die über den Zustrom von Flüchtlingen berichten. Die Familien auf der Flucht vor Krieg und Terror sind an Ihrer Kita-Tür angekommen. Denn jeder 7. Flüchtling ist jünger als 6 Jahre, schätzt das Bundesinnenministerium.

Und damit werden Sie und Ihre ganze Kita unverhofft vor besondere Herausforderungen gestellt. Um diese zu bewältigen, brauchen Sie zunächst Zeichen und Gesten, mit denen Sie die geflüchteten Familien willkommen heißen und damit erstes Vertrauen aufbauen. Wo kommen die Flüchtlinge her, die bei Ihnen im Ort oder Stadtteil untergebracht sind?

Hängen Sie die Flagge des Heimatlandes oder ein „Willkommen“ in der Sprache des entsprechendes Herkunftslandes in Ihrem Eingangsbereich auf. Wie meistern Sie die Sprachbarriere? Wie unterstützen Sie ganz pragmatisch, die Familien, denen es praktisch an allem fehlt? Die folgenden 5 Tipps unterstützen Sie ganz konkret, den Einstieg der geflüchteten Kinder und deren Eltern in Ihre Kita zu meistern.

1. Tipp: Leben Sie eine Willkommenskultur

Nicht selten stehen Flüchtlingskinder mit ihren Eltern einfach vor der Tür. Die Kita „Schatzinsel“ erlebt das immer wieder: „Sie können jederzeit kommen, mit einem Zettel in der Hand. Dann heißen wir sie herzlich willkommen.“ Weil die Familien Anmeldeverfahren oder Wartelisten nicht kennen oder in den Flüchtlingsunterkünften einfach losgeschickt werden, stehen sie meist unerwartet in Ihrer Kita. Rechnen Sie also jederzeit mit Flüchtlingsfamilien. Indem Sie sich so in Ihrer ganzen Kita darauf einstellen, vermeiden Sie das Gefühl, davon überrumpelt oder gar überfordert zu werden. Sprechen Sie im Team ab, wer wann Kapazitäten hat, um sich um die Familie zu kümmern, z. B. in der Vorbereitungszeit. Klären Sie natürlich auch, wer wann, z. B. wegen einer Projektarbeit, keinesfalls einspringen kann. So sprengen unvermittelt vor Ihrer Tür stehende Flüchtlingsfamilien nicht immer wieder Ihren Alltag.

2. Tipp: Reden Sie mit Händen, Füßen und Bildern

Die nächste Herausforderung ist die Sprachbarriere. Behelfen Sie sich ganz pragmatisch. Zeigen Sie den Eltern mit ihrem Kind zunächst Ihre Kita. Dazu müssen Sie nicht sprechen, die Räume und einzelnen Bereiche und vor allem die anwesenden Kinder zeigen deutlich, was bei Ihnen los ist. Und ein Lächeln hilft immer weiter. Um den Eltern mehr über Ihre Einrichtung zu vermitteln, gehen Sie folgendermaßen vor: Klären Sie im Team, wie Sie üblicherweise neuen Eltern Ihre Kita erklären: Was sind die wichtigsten Punkte Ihres Tagesablaufes? Welche Schlüsselbegriffe in Ihrer Konzeption sind entscheidend für Ihre Arbeit? Bereiten Sie zu diesen Bilder und Bildkarten vor. Das Internet stellt eine Vielzahl von Symbolen und Icons zur Verfügung, die Sie ausdrucken und verwenden können. Machen Sie zudem Fotos von Aktionen und Abläufen, und zeigen Sie diese den Eltern.

3. Tipp: Knüpfen Sie ein Dolmetscher-Netz

Sicher kennen Sie aber auch Situationen, in denen Sie mit Bildern, Symbolen, Händen und Füßen an Ihre Grenzen stoßen. Dann brauchen Sie Sprachvermittler und Dolmetscher. Knüpfen Sie ein möglichst breites Netz. Zunächst müssen Sie herausfinden, welche Sprache die Eltern genau sprechen. Dann gehen Sie auf mehreren Ebenen vor:

  • Gehen Sie Ihre bereits aufgenommenen Eltern durch: Gibt es jemanden, der übersetzen kann?
  • Nehmen Sie Kontakt mit Ihrer Kommune auf: Gibt es Ehrenamtliche oder Dolmetscher, die unterstützen können?
  • Wenden Sie sich an Verantwortliche in der Flüchtlingsunterkunft in Ihrer Nähe. Diese sind im Laufe der Zeit immer besser organisiert und können oft Dolmetscher vermitteln.

Sammeln Sie so Namen und Telefonnummern aller Personen, die übersetzen und vermitteln können, und lassen Sie folgende Schriftstücke übersetzen:

  • Anmeldebogen
  • Öffnungszeiten, Schließ- und Feiertage œ verkürztes und gut verständliches Kita-ABC
  • Tagesablauf und wiederkehrende Aktionen, z. B. wöchentliche Waldtage

4. Tipp: Ermöglichen Sie eine flexible Eingewöhnung

Eltern und Kinder sind von der langen Flucht oft traumatisiert und haben besonders starke Trennungsängste. Deshalb können Sie Ihr übliches Eingewöhnungsmodell nicht immer bei den Flüchtlingskindern anwenden. Ermöglichen Sie es den Eltern bei Bedarf, länger als üblich bei ihren Kindern zu bleiben.

Besprechen Sie dies und auch die Gründe dafür mit den anderen Kindern, die sich möglicherweise wünschen, dass ihre Mutter auch öfter in der Kita bleiben kann. Vielen Flüchtlingseltern fällt es besonders schwer, ihr Kind in der Kita zurückzulassen. Ermöglichen Sie es Eltern, eine Weile in Ihrer Kita zu bleiben, z. B. in einer Sitzgruppe im Eingangsbereich.

Mein Tipp: Laden Sie mit besonderen Aktionen immer wieder alle Eltern zu unkomplizierten und offenen Treffs ein, z. B. indem eine geflüchtete Mutter in Ihrer Küche ein typisches Gebäck aus ihrem Heimatland zubereitet. So fallen schnell erste Berührungsängste zwischen den Eltern.

5. Tipp: Laden Sie zum Tauschen und Schenken ein

Es ist eine ganze Menge, was Kinder in Ihrer Kita brauchen. Das überfordert schon manche Familien, die hier leben. Wie mag es dann erst Eltern gehen, die außer einigen geschenkten Kleidungsstücken kaum etwas besitzen?

Sie brauchen plötzlich Kita-Rucksack, Trinkflasche, Brotzeitdose, Wechselklamotten, Sportkleidung, Matschhose, Gummistiefel usw. Helfen Sie hier ganz pragmatisch, indem Sie mit Ihrer gesamten Elternschaft ein „Tauschen-und-Schenken-Regal“ einführen. Alle Eltern können Ausrüstung und Kleidung für die Kinder in dieses Regal legen, die sie übrig haben, und herausnehmen, was sie brauchen. Von diesem Regal profitieren natürlich alle Eltern, denn jeder kann etwas geben und auch nehmen.

Dazu erweitern Sie dieses Regal auch um Spielsachen, Spiele und Bücher. Informieren Sie mit einem Elternbrief oder auf Ihrem nächsten Elternabend. Dabei können Sie sicher auch den Elternbeirat einbeziehen. Weisen Sie die Flüchtlingsfamilien besonders darauf hin, indem Sie in kurzen Worten und verschiedenen Sprachen einen Hinweis anbringen.

Sicher finden sich in Ihrer Elternschaft viele bereitwillige Helfer, die darüber hinaus Flüchtlingsfamilien ihre Hilfe anbieten, z. B. beim Schriftverkehr, bei Ämtergängen oder bei der Integration in Sport- oder Musikverein.

So meistern Sie im Kleinen die Herausforderung, vor der ganz Deutschland steht. Das stärkt Ihre Kita und trägt ein Puzzleteil mehr zur großen Aufgabe bei, Hunderttausende von Flüchtlingen gut aufzunehmen und zu integrieren.

Praxistipp

Manche Eltern scheuen sich, Spenden anzunehmen. Stellen Sie dieses Regal etwas abseits in Ihrem Eingangsbereich auf, dann beschämen Sie niemanden, die Hilfe auch anzunehmen.


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