So machen Sie Kleinkinder zu starken Persönlichkeiten


11.03.2019

Eine Frühgeburt, ein Trauma, Fluchterfahrungen, die Scheidung der Eltern, ein unsicherer Bindungsstil oder familiäre Armut sind mögliche Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung. Starke bzw. resiliente Kinder leiden wie alle anderen Kinder darunter. Sie überstehen sie aber ohne Entwicklungsrückstände oder -störungen.

In der Kindertagesstätte sind Sie herausgefordert, auch schon die Kleinkinder bei der Ausbildung von Kompetenzen zu unterstützen, die für die Resilienz relevant sind. Ihre Aufgabe ist es also, vor allen Dingen herauszufinden, was die einzelnen Kinder „stark macht“. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie die Resilienz im Krippenalltag fördern.

Was Resilienz genau bedeutet

Resilienz ist die seelische Widerstandsfähigkeit, mit der es Kindern trotz widriger Lebensumstände (z. B. Scheidung der Eltern) gelingt, Entwicklungsaufgaben erfolgreich zu bewältigen. Resiliente Kinder glauben an ihre Fähigkeiten und rechnen damit, dass ihre Handlungen erfolgreich sein werden. Besonders wichtig sind dabei die Fähigkeiten, die ein Kind zum Zeitpunkt der jeweiligen Krise schon erworben hat, und die Hilfe von Personen aus seinem sozialen Umfeld, z. B. von Ihnen.

Das Kind erwirbt resiliente Fähigkeiten durch die Interaktion und Erfahrungen mit den Menschen in seiner Umwelt. Diese Fähigkeiten sind variabel und veränderbar.

Keine „Problemballung“ in einer Kita-Gruppe

Damit Sie als Fachkraft Ihr Potenzial voll ausschöpfen können, benötigen Sie kleine Gruppen und einen guten Personalschlüssel. Zur Förderung von Resilienz empfehlen Experten einen Schlüssel von 1:3. Da dies in der Praxis leider oft nicht der Realität entspricht und Sie darauf kaum Einfluss nehmen können, versuchen Sie, bei der Zusammenstellung der Kita-Gruppen darauf zu achten, dass es nicht zu Problemkonzentrationen kommt (soweit Sie dies vorher absehen können). Vermeiden Sie, wenn möglich, beispielsweise 3 Flüchtlingsfamilien und 2 Familien mit starken sozialen Problemen gleichzeitig in eine Gruppe aufzunehmen.

Schaffen Sie möglichst viele Sprachanlässe

Gestalten Sie Morgenkreise mit Spielen, Liedern und Fingerspielen, die jedes Kind zum Mitmachen auffordern. So schaffen Sie beispielsweise einen interessanten Gesprächsanlass, wenn Sie im Morgenkreis eine Bildkarte in die Kreismitte legen, auf der ein Löwe abgebildet ist, der durch den Dschungel streift. Sofort beginnen die Kinder zu beschreiben, was auf dem Bild zu sehen ist. Sie unterstützen die Kleinkinder, wenn ihnen die Worte fehlen, und wiederholen ihre Beschreibungen. Damit stärken Sie die Kommunikationsfähigkeit der Kleinkinder.

Bieten Sie Bewegungsangebote, die stark machen

Gehen Sie mit den Kleinkindern in den Bewegungsraum Ihrer Einrichtung. Stellen Sie den Kleinkindern verschiedene Alltagsgegenstände zur Verfügung, wie z. B. Hocker und Kisten, die die Kinder schon tragen können. Bieten Sie auch Turnreifen, Bälle, Chiffontücher und Krabbeltunnel an. In einer Kleingruppe bauen die Kinder dann selbstständig aus den verschiedenen Materialien einen Parcours auf.

Die Kleinkinder arbeiten so mit anderen gemeinsam an einer Sache. Verbal und nonverbal üben sie dabei, miteinander zu kommunizieren und ihre Vorhaben aufeinander abzustimmen. Wenn die Kleinkinder anschließend durch ihren Parcours klettern, fördert dies auch ihre Bewegungskompetenz.

Fördern Sie die Konzentration der Sinne

Bieten Sie den Kleinkindern Gelegenheiten, sich auf sich selbst und auf die einzelnen Sinne zu konzentrieren. So können die Kleinkinder ihre sinnlichen Fähigkeiten entdecken und gezielt einsetzen. Bieten Sie den Kleinkindern dazu beispielsweise ein selbst gemachtes Hörmemory an. Dazu nehmen Sie z. B. 2 Glöckchen, 2 Steine, 2 Schrauben. Dann legen Sie jedes Klangmaterial in ein Fühlsäckchen und verschließen dieses kindersicher. Die Kinder schütteln die einzelnen Säckchen und müssen genau hinhören, welche beiden Säckchen „gleich klingen“.

Mit Entspannungsgeschichten Emotionen erleben

Dunkeln Sie den Raum etwas ab. Sorgen Sie für stimmungsvolles Licht, indem Sie z. B. Kerzen anzünden. Bevor Sie den Kindern eine Geschichte erzählen, spielen Sie einen Ton auf einer Triangel. Das ist das Signal, dass es nun mit der Geschichte bzw. der Entspannung losgeht. Wählen Sie eine Geschichte mit möglichst kurzen Sätzen, und versuchen Sie, möglichst viele angenehme Sinneseindrücke zu benutzen. Zum Beispiel: „Ich streichle ein weiches Hundefell.“ „Ich spüre die warmen Sonnenstrahlen im Gesicht.“ So können die Kleinkinder sich leichter Bilder zu der Geschichte vorstellen, um die damit verbundenen Emotionen zu erleben. Die Kinder üben damit, Situationen nachzuvollziehen, und erlangen erste Ideen, wie sie diese oder ähnliche Mithilfe positiver Emotionen bewältigen können.

Fördern Sie die Teilhabe der Kinder

Besprechen Sie im Morgenkreis, welches Spiel die Kleinkinder als Nächstes spielen möchten. Erzählen Sie ihnen, was Sie heute vorhaben, und fragen Sie die Kinder nach eigenen Ideen. Lassen Sie ihnen altersgerechte Wahlmöglichkeiten, z. B.: „Möchtest Du heute als Erstes in die Mitte gehen?“ Oder: „Wer möchte heute die Blumen gießen?“ „Wer soll Dich auf die Toilette begleiten?“ Die Kinder lernen so demokratische Entscheidungen kennen.

Stärken Sie das Gruppengefühl

Initiieren Sie verschiedene Gemeinschaftsaktionen für die gesamte Gruppe. Das gelingt Ihnen, indem z. B. alle Kinder gemeinsam ein Bild gestalten, mit dem Sie später den Gruppenraum dekorieren. Kleine Ausflüge auf den benachbarten öffentlichen Spielplatz oder in den Tierpark fördern das Erleben in der Gruppe ebenso. Die Kleinkinder spüren dabei ganz besonders die Geborgenheit und die Sicherheit, die sie innerhalb einer Gemeinschaft erleben können.

Vermitteln Sie Handlungsideen mit Geschichten

Lesen Sie den Kleinkindern viele Geschichten und kleinkindgerechte Märchen vor. Auch Fingerspiele und Bewegungsgeschichten sind geeignet. So erfahren die Kinder erste Schritte, wie sie mit verschiedenen Situationen wie „Karl muss ins Krankenhaus“, „Oles Oma ist gestorben“ oder „Wir ziehen in eine neue Stadt“ umgehen können. An den Beispielen aus Geschichten lernen sie, welche Herangehensweisen es für sie gibt. Das gibt den Kindern Sicherheit. Gleichzeitig lernen sie somit auch ihre Selbstwirksamkeit kennen, wenn sie in den entsprechenden Situationen reagieren.

Tipps für Ihre Praxis:

Nutzen Sie fachlichen Rat wie Fort- und Weiterbildungsangebote zum Thema „Resilienz“, um sich selbst für dieses Thema zu stärken. Als resiliente, starke Persönlichkeit sind Sie das größte Vorbild für die Kleinkinder. Darüber hinaus lassen Sie sich von externen Fachkräften in Ihrer Arbeit unterstützen.

Checkliste: Fördern Sie mit Ihrer Haltung resiliente Verhaltensweisen von Kleinkindern

So unterstütze ich die Beziehungen der Kleinkindero.k.
Ich nehme jedes Kind vorbehaltlos an.
ch bin eine verlässliche und liebevolle Bezugsperson für das Kind.
Ich bin immer gesprächsbereit und kommuniziere offen.
Ich beachte das Kind anteilnehmend.
Ich höre den Anliegen des Kindes zu und höre seinen Anliegen zu.
Ich versuche, ein gutes Beziehungsvorbild zu sein.
So bin ich dem Kleinkind ein empathisches Vorbild
Ich besitze die Fähigkeit, mich in die Gefühle des Kindes hineinzuversetzen.
Ich bin nicht immer einverstanden mit allem, was das Kind tut, aber mir gelingt
es, seine Sichtweise zu verstehen.
Ich sage dem Kind nicht, was es denken soll.
Ich unterbreche das Kind nicht, wenn es mir etwas erzählt/mit mir spricht.
Ich demütige das Kind nicht.
Ich verzichte auf kategorische Vokabeln wie „nie“ oder „immer“.
So fördere ich resiliente Verhaltensweisen des Kleinkindes
Ich schätze das Kind vorbehaltlos.
Ich interessiere mich für die Aktivitäten des Kleinkindes.
Ich nehme dem Kind nichts ab, das es schon allein kann.
Ich helfe dem Kind, seine Stärken zu stärken.
Ich unterstütze das Kind dabei, seine Schwächen zu schwächen.
Ich bewahre das Kind nicht vor fordernden Anforderungen.
Ich helfe dem Kind dabei, dass es an sein Können glaubt.
Ich bin ein resilientes Vorbild für das Kleinkind
Ich verbalisiere, wenn mir etwas nicht gelingt
Ich helfe dem Kind über Misserfolge hinweg
Ich spiegle die Gefühle des Kindes, z. B.: „Du bist traurig, weil ...“
Ich gebe den Kleinkindern Raum, ihre Selbstwirksamkeit zu erleben
Ich beteilige die Kinder im Alltag, z. B. durch das gemeinsame Tischdecken.
Ich lassen den Kindern individuell viel Raum und Zeit für ihre Tätigkeiten.
Ich übergebe den Kindern Verantwortung für ihre Entscheidungen.
Ich gebe den Kindern grundsätzlich keine Patentlösungen vor.
Ich integriere die Ideen der Kleinkinder in meine pädagogische Planung.
Ich verteile routinemäßige Aufgaben, wie z. B. Blumengießen, auf faire Weise.
Ich gehe mit den Kleinkindern regelmäßig nach draußen.
Ich lasse die Kleinkinder auch aus ihren Fehlern lernen
Ich bin ein Vorbild im Umgang mit Fehlern.
Ich vermittle den Kindern, dass Fehler „zum Leben dazugehören“.
Ich habe realistische Erwartungen an die Kleinkinder.
Ich knüpfe Liebe und Zuwendung nicht an bestimmte Bedingungen.
Ich stärke die Kompetenzen der Kleinkinder
Ich zeige den Kindern, dass mich ihre (Lern-)Erfolge erfreuen.
Ich betone den persönlichen Anteil, den die Kinder beitragen.
Ich lasse ihnen Zeit für die Entwicklung ihrer Stärken.
Ich biete ihnen Spielmaterialien an, die ihren Interessen entsprechen.


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