Warum lügen Kinder? So handeln Sie als Erzieher pädagogisch wertvoll
Sprichwörter wie „Lügen haben kurze Beine!“ oder „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht!“ sollen eine abschreckende Wirkung erzielen. Doch dies funktioniert einfach nicht. Sicher ist es noch nicht lange her, dass auch Sie sich schmeichelhaft z. B. über eine unvorteilhafte Frisur geäußert haben. Bei Kindern sind Sätze wie „Ich habe überhaupt nichts gemacht!“ oder „Der hat angefangen!“ beliebt. Doch häufig sind sie gelogen. Aber warum lügen Kinder überhaupt? Wie Sie pädagogisch wertvoll handeln, erfahren Sie nachfolgend.
Was sind eigentlich Lügen?
Lügen sind bewusste Aussagen oder Handlungen, die andere täuschen, indem sie die Wahrheit verzerren, verschweigen oder erfinden. Im Unterschied zu einem Irrtum erkennt die lügende Person die Abweichung von der Realität und handelt absichtlich täuschend.
Oft heißt es, jeder Mensch lüge etwa 200 Mal am Tag. Wissenschaftlich belegt ist diese Zahl jedoch nicht. Isabella Heuser-Collier von der Charité Berlin und Matthias Gamer von der Universität Würzburg betonen, dass sie lediglich auf einer Schätzung des Psychologen Jerry Jellison aus den USA beruht. Realistischer erscheint, dass Menschen im Durchschnitt etwa zweimal täglich lügen. Die Spannbreite ist dabei groß: Einige lügen deutlich häufiger, andere kaum oder gar nicht.
Welche Arten von Lügen gibt es bei Kindern und was steckt dahinter?
Kinder müssen lernen, dass Lügen kein gutes Handeln und nicht zielführend ist. Ihre Aufgabe ist es, die versteckte Botschaft hinter jeder Lüge zu entschlüsseln. Dadurch können Sie angemessen reagieren, um in Zukunft zu vermeiden, dass Kinder „es nötig haben“ zu lügen.
1. Die Angeber-Lüge
Kinder übertreiben oder stellen sich größer dar, um Aufmerksamkeit oder Anerkennung zu bekommen.
Beispiel: „Ich kann schon längst Rad fahren, was glaubt ihr denn?“ – Tobias möchte vor seinen Freunden beeindrucken.
Hintergrund: Solche Lügen entstehen oft aus geringem Selbstwertgefühl oder dem Wunsch, positiv wahrgenommen zu werden.
So handeln Sie richtig: Geben Sie ehrliches Lob und Anerkennung, klären Sie die Lüge behutsam und zeigen Sie dem Kind seine besonderen Fähigkeiten auf.
2. Die Vermeidungslüge
Kinder leugnen oder schieben die Schuld ab, um Strafe oder unangenehme Konsequenzen zu vermeiden.
Beispiel: „Ich habe das Glas nicht umgestoßen, das war Rita!“ – Lea versucht, Ärger zu vermeiden.
Hintergrund: Die Lüge entsteht aus Angst oder Erfahrung mit strenger Kritik.
So handeln Sie richtig: Bleiben Sie ruhig, klären Sie die Situation im 4-Augen-Gespräch und betonen Sie, dass Ehrlichkeit weniger streng bestraft wird als Lügen.
3. Die Höflichkeitslüge
Kinder ahmen soziale Umgangsformen nach und lügen, um die Gefühle anderer nicht zu verletzen.
Beispiel: Das Kind lobt das Essen, obwohl es ihm nicht schmeckt, weil es sieht, dass Erwachsene so reagieren.
Hintergrund: Kinder lernen, dass kleine Notlügen sozial akzeptiert sein können.
So handeln Sie richtig: Erklären Sie, dass solche Lügen manchmal in Ordnung sind, aber generell Ehrlichkeit besser ist.
4. Die Fantasielüge
Kinder erfinden Geschichten oder übertreiben Ereignisse, um sich auszudrücken oder Aufmerksamkeit zu bekommen.
Beispiel: „Mein Hund hat meine Hausaufgaben gefressen!“ – Leonie testet die Reaktionen ihres Umfelds.
Hintergrund: Besonders bei 3–7-Jährigen dienen Fantasielügen der kreativen Entwicklung und dem sozialen Lernen.
So handeln Sie richtig: Nehmen Sie die Fantasie ernst, bestrafen Sie nicht und fördern Sie kreatives Erzählen. Erklären Sie den Unterschied zwischen Wahrheit und erfundenen Geschichten.
5. Die Schuldzuweisungs-Lüge
Kinder geben anderen die Schuld, um unangenehme Konsequenzen zu vermeiden, ohne bewusst zu täuschen.
Beispiel: „Nicht ich, sondern Max hat das Fenster kaputtgemacht.“ – Tina schützt sich vor Strafe.
Hintergrund: Diese Lügen entstehen aus Angst oder Unsicherheit und sind Teil des sozialen Lernprozesses.
So handeln Sie richtig: Bleiben Sie sachlich, zeigen Sie, dass Ehrlichkeit Vertrauen schafft, und erklären Sie, dass es besser ist, Fehler einzugestehen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Altersgerechter Umgang mit Lügen bei Kindern
Wie reagieren Sie altersgerecht und pädagogisch richtig auf die Lügen der Kinder?
Die ersten Lügen mit 3 Jahren: Zwischen Fantasie und Realität
Ihre 1. Lüge erzählen Kinder etwa mit 3 Jahren. Dabei ist ihnen noch nicht bewusst, dass sie die Unwahrheit erzählen. Denn diese Art der Unwahrheit ist meist eine Form von Wunschdenken oder die Folge ihres „magischen Denkens“. Die Grenzen von Wahrheit, Fantasie und Spiel verschwimmen im kindlichen Bewusstsein noch.
Die Wahrheit steht natürlich auch in diesem Alter an 1. Stelle. Da Kinder in diesem Alter nicht bewusst lügen, dürfen Sie keinesfalls mit den Kindern „hart ins Gericht gehen“. Klären Sie die Situation, indem Sie die Wahrheit ansprechen oder versuchen, diese herauszufinden.
Mit 5 Jahren: Lügen aus Einsicht und Selbstschutz
Die Kinder können sich nun in andere Menschen hineinversetzen und nehmen wahr, wenn ein anderer über etwas nicht im Bilde ist. Sie lernen (leider), dass es sich für sie auszahlen kann, wenn sie diesem etwas Falsches erzählen, z. B. weil sie damit einer Strafe entgehen.
Versuchen Sie, immer herauszufinden, warum ein Kind gelogen hat, denn Kinder lügen nicht, weil sie generell böse sind. Meistens haben sie Angst vor einer Konsequenz, oder es steckt ein unerfüllter Wunsch dahinter.
 
                 
                                         
                                         
                                         
                                         
                                         
                                         
                                        