Münchener Eingewöhnungsmodell: Guter Kita-Start in 5 Schritten
Der erste Kita-Tag ist für Kinder wie auch für Eltern ein großer Einschnitt: Neue Räume, fremde Erwachsene, viele unbekannte Kinder – all das kann spannend, aber auch verunsichernd wirken. Damit der Start gelingt, braucht es Zeit, Sicherheit und ein Konzept, das den Bedürfnissen des Kindes gerecht wird. Das Münchener Eingewöhnungsmodell begleitet Kinder Schritt für Schritt in die neue Umgebung, stärkt die Bindung zu den Erziehern und erleichtert die Trennung von den Eltern.
In diesem Artikel erfahren Sie, wie die Eingewöhnung nach dem Münchener Modell abläuft, welche fünf Phasen sie umfasst, worauf Eltern und Erzieher besonders achten sollten und welche Vor- und Nachteile sich daraus ergeben. Praktische Beispiele zeigen, wie Kinder aktiv in den Prozess eingebunden werden und wie eine gelungene Eingewöhnung in der Praxis aussehen kann.
Was kennzeichnet das Münchener Eingewöhnungsmodell?
Entwickelt wurde das Münchener Eingewöhnungsmodell zu Beginn der 1990er Jahre. Es sieht nicht nur die Erzieher als entscheidenden Part der Eingewöhnung vor, sondern auch die Bezugsperson des Kindes (Mutter, Vater, Oma, Opa etc.) sowie die anderen Kinder in der Kita. Im Rahmen des Münchener Eingewöhnungsmodells wird außerdem davon ausgegangen, dass die Kinder die Rituale in einer Kita mehrfach beobachten müssen, um sie zu verstehen, weshalb die Kennenlernphase mindestens eine Woche dauert.
Eine Trennung findet erst nach zwei Wochen statt, wenn das Kind mit den neuen Abläufen und der neuen Umgebung bereits vertraut ist und die Erzieher schon etwas besser kennt. Für die Eingewöhnung nach dem Münchener Modell müssen vier bis fünf Wochen Zeit eingeplant werden.
Worin liegt der Unterschied zwischen dem Münchener und dem Berliner Eingewöhnungsmodell?
Der Unterschied zwischen dem Münchener und dem Berliner Eingewöhnungsmodell liegt in der Sichtweise auf die Rolle des Kindes. Im Berliner Modell führen vor allem Eltern und Fachkräfte den Prozess, das Kind bleibt eher passiv und „wird eingewöhnt“. Im Münchener Modell dagegen gilt das Kind als aktiver Mitgestalter, der Eingewöhnungsprozess richtet sich stärker nach seiner Selbstständigkeit und seinen Signalen – das Kind „gewöhnt sich selbst ein“. Beide Modelle gliedern sich in fünf Phasen, unterscheiden sich jedoch in deren Bezeichnungen und Schwerpunkten.
Welche Phasen sieht das Münchener Eingewöhnungsmodell vor?
Dies sind die fünf Phasen des Münchener Eingewöhnungsmodells:
- Vorbereitungsphase
- Kennenlernphase
- Sicherheitsphase
- Vertrauensphase
- Auswertungsphase
1.Vorbereitungsphase
In der Vorbereitungsphase stehen Erzieher und Bezugspersonen in einem engen Austausch, um das Kind mit seinen Angewohnheiten und Bedürfnissen kennenzulernen. Ziel dieser Phase ist es, gemeinsam zu überlegen, wie ein sanfter Einstieg für das Kind aussehen kann. Nicht nur eine Bezugsperson des Kindes, sondern – wenn vorhanden – auch mehrere, können in diese erste Phase mit eingebunden werden.
2. Kennenlernphase
In der Kennenlernphase verbringen die Bezugspersonen des Kindes eine Woche lang mehrere Stunden pro Tag mit dem Kind in der Kita. Gemeinsam werden die neuen Abläufe betrachtet und die Erzieher halten sich in dieser Zeit noch zurück. Ziel ist, dass das Kind in Ruhe und mit seiner vertrauten Bezugsperson an der Seite die neue Umgebung kennenlernt. Das Kind wird durch die anderen Kita-Kinder dazu aufgefordert, mitzuspielen und kann so eine aktive Rolle einnehmen. Die Bezugsperson hält sich im Hintergrund, ist aber zu jeder Zeit da, um dem Kind Sicherheit zu geben. Ein Trennungsversuch wird nicht aktiv herbeigeführt, aber will das Kind von sich aus mit den anderen Kindern spielen und entfernt sich von seiner Bezugsperson, so ist das ein gutes Zeichen.
3.Sicherheitsphase
In der Sicherheitsphase bleibt die Bezugsperson ebenfalls noch für mehrere Stunden mit dem Kind in der Kita, übergibt aber immer mehr pflegerische Tätigkeiten wie wickeln, füttern oder trösten an die Erzieher. Außerdem beginnen die Erzieher in dieser Phase langsam, mit dem Kind zu spielen. Dabei orientieren sie sich an den Vorlieben des Kindes. Die Interaktion mit den anderen Kindern sorgt in dieser Phase ebenfalls für viel Sicherheit.
4.Vertrauensphase
In der Vertrauensphase findet dann der erste Trennungsversuch statt. Bis dahin sind mindestens zwei Wochen vergangen und in dieser Zeit hat das Kind das neue Umfeld schon gut kennengelernt. In der Vertrauensphase überlassen die Bezugspersonen den Erziehern den Umgang mit dem Kind und ziehen sich erstmals gänzlich zurück. Sie verlassen die Kita für 30 bis 60 Minuten und verabschieden sich vorher von ihrem Kind. Das Ziel ist es, dass das Kind lernt, sich von den Erziehern trösten zu lassen. Sobald das Kind sich beruhigt hat und wieder mit den anderen Kindern spielt, gilt das als Erfolg und die Zeit der Trennung wird am darauffolgenden Tag verlängert. Lässt sich das Kind nicht beruhigen, kommen die Eltern zurück und der nächste Trennungsversuch wird erst nach einigen Tagen wieder gestartet.
5.Auswertungsphase
In der Auswertungsphase findet das finale Gespräch zur Reflexion der Eingewöhnung statt und es wird geklärt, worauf in der nächsten Zeit noch verstärkt geachtet werden muss. Außerdem wird eingeschätzt, was an der Eingewöhnung gut und was nicht so gut gelaufen ist. Doch nicht nur am Ende, sondern auch immer wieder zwischendurch tauschen sich Erzieher und Eltern darüber aus, wie der Stand der Eingewöhnung ist und wie das Kind zurechtkommt. Die Eingewöhnung gilt dann als erfolgreich, wenn das Kind die neue Umgebung und die neuen Bezugspersonen, die Erzieher sowie die anderen Kinder, akzeptiert hat und sich von den Fachkräften trösten und pflegen lässt.
Was hilft bei der Eingewöhnung?
Der Faktor Zeit trägt entscheidend zur Eingewöhnung bei. Die Erzieher sollten genügend Zeit für die Kinder haben und auch die Eltern müssen viel Zeit investieren, um ihr Kind über Wochen für mehrere Stunden pro Tag in die Kita zu begleiten. Sicherheit ist ein weiterer, wichtiger Faktor für die Kinder, der die Eingewöhnung begünstigt.
Eine sichere Umgebung zuhause, viel Körperkontakt vor und nach der Kita und vielleicht noch das Lieblings-Kuscheltier oder Schnuffeltuch helfen dem Kind dabei, sich in der Kita wohlzufühlen. Eltern sollten dabei nicht ihre Ängste auf die Kinder übertragen. Sie sollten den Erziehern vertrauen, transparent kommunizieren und sich an die Anweisungen der Fachkräfte halten.
Vor- und Nachteile des Münchener Eingewöhnungsmodell
Welche Vor- und Nachteile hat das Münchener Eingewöhnungsmodell?
Vorteile des Münchener Eingewöhnungsmodells
- Kindzentrierter Ansatz: Die Eingewöhnung richtet sich nach den Bedürfnissen des Kindes, wodurch es aktiv am Prozess beteiligt ist.
- Behutsamer Start: Mindestens zwei Wochen Beobachtungs- und Kennenlernzeit schaffen Sicherheit, bevor ein erster Trennungsversuch erfolgt.
- Höhere Erfolgschancen: Durch das langsame Tempo gelingt die Trennung in den meisten Fällen ohne größere Schwierigkeiten.
- Bedeutung in der Praxis: Gerade in Zeiten mit organisatorischen Herausforderungen erinnert das Modell daran, die Bedürfnisse des Kindes immer in den Mittelpunkt zu stellen.
Nachteile des Münchener Eingewöhnungsmodells
- Hoher Zeitaufwand: Die Eingewöhnung dauert vier bis fünf Wochen und verlangt viel Einsatz von Eltern und Fachkräften.
- Personalmangel als Hürde: In vielen Kitas fehlen ausreichend Fachkräfte, um eine so intensive Begleitung konsequent umzusetzen.
- Große Gruppen: Steigende Kinderzahlen erschweren eine individuelle Betreuung während der Eingewöhnung.
- Parallele Eingewöhnungen: Oft laufen mehrere Eingewöhnungen gleichzeitig, was die Aufmerksamkeit für das einzelne Kind verringert.
Fazit: Das Münchener Eingewöhnungsmodell ist von Erfolg gekrönt
Das Münchener Eingewöhnungsmodell wird seit Jahrzehnten erfolgreich umgesetzt, weshalb es essenziell ist, dass Eltern darauf und auf die Arbeit der Erzieher vertrauen. Gegeneinander zu arbeiten, ist an der Stelle nicht zielführend – im Fokus sollte immer das Kind stehen.
Rückschläge während der Eingewöhnungszeit sind normal und gehören dazu. Zu akzeptieren, dass jedes Kind anders ist und unterschiedliche Bedürfnisse hat, hilft dabei, die Eingewöhnung behutsam zu gestalten. Die verschiedenen Phasen führen das Kind langsam an die neue Umgebung und die neuen Bezugspersonen heran und sorgen dafür, dass es sich zum Ende der Zeit in der Kita wohlfühlt und von den pädagogischen Angeboten und dem Spiel mit den anderen Kindern profitieren kann.
FAQs
1. Wie lange dauert die Eingewöhnung nach dem Münchener Modell?
Die Eingewöhnung erstreckt sich in der Regel über vier bis fünf Wochen. Die genaue Dauer hängt vom Temperament des Kindes, seinen bisherigen Erfahrungen in Gruppen und der Bindung zu den Bezugspersonen ab.
2. Wer begleitet das Kind während der Eingewöhnung?
Ein Elternteil oder eine feste Bezugsperson sollte das Kind über mehrere Stunden täglich in der Kita begleiten. Auch andere vertraute Bezugspersonen können einbezogen werden, um das Kind bei der Orientierung zu unterstützen.
3. Was tun, wenn ein Kind den ersten Trennungsversuch nicht bewältigt?
Führt ein Kind die Trennung noch nicht selbstständig aus, werden weitere Beobachtungs- und Vertrauensphasen eingeplant. Der nächste Trennungsversuch erfolgt erst, wenn das Kind bereit ist, um Überforderung zu vermeiden.
4. Wie können Erzieher die aktive Rolle des Kindes fördern?
Kinder nehmen nach dem Münchener Modell aktiv am Eingewöhnungsprozess teil. Erzieher sollten die Kinder ermutigen, selbst Entscheidungen zu treffen, Spielangebote auszuprobieren und auf Signale zu reagieren, ohne die Kinder zu drängen.
5. Können Kinder, die nur wenige Tage pro Woche in die Kita kommen, eingewöhnt werden?
Ja, allerdings muss die Eingewöhnung individuell angepasst und möglicherweise verlängert werden, da das Kind weniger Zeit hat, die Abläufe und die Bezugspersonen kennenzulernen.