Kindergeschichten werden meist spontan verlangt: Ich saß mit einigen Kindern im Wald auf Baumstämmen, als ich gebeten wurde: „Bitte, erzähle uns eine Geschichte!“ Sofort sahen mich viele Augenpaare flehentlich an. „Ja, eine mit einem Roboter!“ „Und mit einer Prinzessin!“ Die Atmosphäre, unter dem Blätterdach einträchtig auf den Baumstämmen sitzend, verlangte tatsächlich nach einer Geschichte. Nur woher sollte ich so spontan eine hernehmen – noch dazu eine mit Roboter und Prinzessin? Die Kinder wussten es sofort: „Denk dir eine aus!“
Mittlerweile ist unsere Geschichtenwerkstatt vom Wald in die Kita umgezogen. Sie hat bei uns einen festen Platz bekommen, und wie in einer Werkstatt üblich, arbeiten alle an den Geschichten mit. Es ist immer wieder erstaunlich, was in dieser Werkstatt so alles passieren kann!
Habe ich Sie neugierig gemacht? Dann möchte ich Sie teilhaben lassen an meinen mittlerweile deutlich ausgefeilteren Erfahrungen rund um das Geschichten-Erfinden mit Kindern und für Kinder.
Vermutlich gibt es kein Thema, über das noch kein Kinderbuch geschrieben wurde. Warum sollten Sie sich also die Mühe machen, noch mehr Geschichten zu erfinden? Weil Ihre Fantasie und die der Kinder noch viel mehr hergeben! Zudem hat das mündliche Erzählen eine lange Tradition. Die Erzählkunst ist wohl so alt wie die Menschheit selbst.
In Ihrer Kita bietet das Erzählen eine gute Ergänzung zu Ihrer Literacy-Erziehung. Es macht den Kindern Lust auf Geschichten und damit auch auf Bücher. Und Kinder, die noch wenig Deutsch sprechen, werden behutsam an die Sprache herangeführt. Mit dem Erzählen und vor allem dem gemeinsamen Erfinden von Geschichten fördern Sie viele wichtige Kompetenzen der Kinder, z. B.:
„Mir fällt bestimmt nichts ein!“ oder „Ich bin mit Worten gar nicht kreativ!“ mögen Sie jetzt vielleicht noch denken. Schieben Sie solche Gedanken ganz bewusst beiseite. Denn sie machen eng im Kopf, blockieren Sie damit und setzen Sie unter Druck. Beim Erfinden von Geschichten ist all das aber gar nicht nötig! Denn der Weg ist das Ziel, nur das Erfinden und das Erzählen selbst sind wichtig. Und dabei sind Sie nicht allein, denn die Kinder sind Ihre aktiven Begleiter. Und Sie können sicher sein: Sie haben keine Schranken im Kopf!
Wenn Sie Bedenken haben, mit dem freien Erzählen einfach loszulegen, nutzen Sie zum „Aufwärmen“ folgende Methoden:
Lassen Sie sich selbst und den Kindern Zeit, die richtige Atmosphäre entstehen zu lassen. Dazu müssen Sie Ihren Alltag verlassen und in den Zauber einer Geschichte eintauchen. Ganz einfach gelingt Ihnen das, indem Sie diesen Wechsel deutlich vollziehen. Und so werden Ihr Kopf und der der Kinder frei für Kreativität und Fantasie:
Die Kinder werden Ihre und die gemeinsam erfundenen Geschichten besonders lieben, wenn sie ihren individuellen Bedürfnissen entsprechen. Beobachten Sie deshalb im Alltag ganz bewusst, womit sich die Kinder beschäftigen:
Machen Sie sich dazu formlos Notizen. Diese können Sie dann als Stichworte für Ihre Geschichten nutzen.
Ganz allgemein gilt: Je jünger die Kinder, desto stärker sollte sich die Geschichte an ihrer Lebenswelt orientieren. Bis zum Alter von etwa 4 Jahren lieben Kinder Wiederholungselemente, z. B. den immer gleichen Satz des Helden oder die sich immer wiederholende Frage des Kindes in der Geschichte. Beim Erzählen für Kinder bis 4 Jahren sollten Sie zudem darauf achten, dass die Geschichte überschaubar bleibt. Dabei reichen neben der Hauptfigur noch 2–3 Nebencharaktere und die Geschichte sollte sich linear, also nacheinander abspielen. Erst Kinder ab 5 Jahren können komplexeren Erzählstrukturen, wie z. B. Vor- und Rückblenden, folgen und erfinden oft selbst verschachtelte Geschichten. Zusammenhänge, die mit „weil …“, „obwohl …“ oder „trotzdem …“ deutlich gemacht werden, gehören dazu.
Kinder jeden Alters lieben es spannend. In der Geschichte muss also etwas passieren, es sollten Hindernisse und Konflikte eingebaut sein. Auch die Emotionen dürfen nicht zu kurz kommen. Die Kinder von 3–6 Jahren sind sehr empathisch, sie leiden und freuen sich mit den Helden mit.
Kennen Sie das noch vom Aufsatzschreiben in der Schule: Einleitung, Hauptteil, Schluss? Dieses Gerüst passt immer noch für jede Ihrer Geschichten:
Wenn Sie mit den Kindern gemeinsam eine Geschichte erfinden, ist es hilfreich, sich anhand einiger Fragen ein Geschichten- Gerüst zu bauen. Die entsprechenden Fragen finden Sie im Kasten. Diesen können Sie kopieren und als Gedankenstütze auch während des Erzählens nutzen.
Stellen Sie diese Fragen:
Folgende Übungen und Methoden haben sich besonders bewährt, um spannende und kreative Geschichten-Momente zu entwickeln. Alle fördern das freie Erzählen, die Fantasie und besonders natürl ich die Sprache. Wie und wann Sie diese am besten einsetzen, finden Sie ebenfalls in derobenstehenden Übersicht.
Treten Sie also ein und tauchen Sie ab in das Land der Geschichten. Sie werden diese Inseln im Alltag sicher ebenso genießen wie die Kinder! Integrieren Sie die Inseln auch jetzt im Sommer gekonnt in Ihren Kita-Alltag. Verlagern Sie Ihre Erzählrunde einfach mal nach draußen!
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