
Wenn Kinder beißen: Wenn Kinder beißen: Ursachen verstehen und Eltern praxisnah begleiten
Wie reagieren Eltern, wenn ihr Kind plötzlich zubeißt – oder wenn es von einem anderen Kind gebissen wird? Häufig entstehen Scham, Ärger oder Hilflosigkeit. Die Eltern des kleinen „Beißers“ fühlen sich meist verunsichert und unangenehm berührt. Genau hier sind Sie als Kitaleitung oder Erzieher gefragt: Informieren Sie die Eltern bei einem Elternabend darüber, warum Kinder in bestimmten Phasen beißen. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie das Thema verständlich aufbereiten, Ursachen anschaulich erklären und gemeinsam mit den Eltern praxisnahe Lösungsansätze entwickeln.
Übersicht: 7 Schritte für die Praxis, wenn ein Kita-Kind beißt, kratzt o. Ä.
1. Beobachten und dokumentieren: Beobachten Sie die Situation genau: Wann, wo und unter welchen Umständen tritt das Verhalten auf? Notieren Sie die Beobachtungen, um Muster oder Auslöser erkennen zu können.
2. Das Team einschätzen lassen: Binden Sie das pädagogische Team ein. Erfragen Sie, wie die Fachkräfte die Situation wahrnehmen, und tauschen Sie sich über mögliche Ursachen und Reaktionsweisen aus.
3. Eltern nach Erfahrungen zu Hause fragen: Erkundigen Sie sich bei den Eltern, ob ähnliches Verhalten zu Hause auftritt und welche Strategien dort bereits ausprobiert wurden. So entsteht ein umfassendes Bild des Verhaltens.
4. Fachwissen einholen: Bei wiederholtem oder intensiven Beißen kann es hilfreich sein, Beratungsstellen, Kinderärzte oder Entwicklungsfachkräfte einzubeziehen. Diese können fachliche Einschätzungen geben und weitere Handlungsempfehlungen liefern.
5. Mit allen Beteiligten besprechen: Organisieren Sie ein gemeinsames Gespräch zwischen Team und Eltern. Ziel ist, die Situation zu verstehen, Ursachen zu erkennen und eine einheitliche Vorgehensweise abzusprechen.
6. Gemeinsame Lösungen entwickeln und festhalten: Erarbeiten Sie konkrete Strategien, wie das Kind unterstützt werden kann – z. B. klare Regeln, alternative Ausdrucksmöglichkeiten oder gezielte Förderung der Sprachkompetenz. Halten Sie die Maßnahmen schriftlich fest, damit alle Beteiligten sie konsequent umsetzen.
7. Reflektieren und anpassen: Überprüfen Sie regelmäßig, ob die Maßnahmen wirken. Tauschen Sie sich mit Eltern und Team aus und passen Sie die Strategien an, falls nötig.
Mögliche Ursachen: Warum beißen Kinder?
Nachdem die Eltern Ideen gesammelt haben, informieren Sie die Eltern über die Hintergründe des Beißens. Denn ein Kind, das beißt, ist nicht schlecht, böse oder aggressiv. Im Gegenteil – in einem gewissen Alter und Rahmen ist es durchaus normal, dass Kinder beißen. Beißen wird erst zu einem sozialen Problem, wenn das Kind dieses Verhalten über einen längeren Zeitraum und regelmäßig wiederholt. Die Hauptgründe, warum Kinder beißen, sind Folgende:
1. Entwicklungsbedingte Ursachen
Kinder bis zum Alter von 2 Jahren haben das Bedürfnis, alles in den Mund zu nehmen. Sie lernen durch Sinneserfahrungen und durch das Prinzip „Ursache und Wirkung“. Da macht der Arm eines Freundes, in den ein Kind aus Entdeckungsdrang mal eben reinbeißt, keine Ausnahme. Das Kind testet mit seinen Sinnen aus, wie sich ein Arm im Mund anfühlt und was passiert, wenn es zubeißt. Auch das Zahnen kann eine Ursache sein. Wenn die Zähne durchbrechen, ist das oftmals schmerzhaft. Indem das Kind auf einen Gegenstand oder auch in einen anderen Körperteil beißt, verringert es seinen Schmerz.
2. Körperliche Bedürfnisse
Oft steckt hinter einem Biss schlicht ein körperliches Unwohlsein. Kinder, die müde, hungrig oder überreizt sind, haben noch nicht die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse klar zu benennen. Stattdessen äußern sie ihr Unbehagen über den Körper – manchmal eben durch Beißen. Diese Reaktion ist ein Signal dafür, dass das Kind Ruhe, Nahrung oder eine Auszeit braucht.
3. Umgebungsbedingte Ursachen
Kleine Kinder besitzen noch kein ausgeprägtes räumliches Empfinden. Befinden sie sich in einer engen Spielsituation oder müssen sie Aufmerksamkeit mit vielen anderen Kindern teilen, fühlen sie sich schnell bedrängt. In solchen Momenten nutzen sie das Beißen, um sich Freiraum zu verschaffen. Auch Veränderungen im Umfeld – wie ein neuer Gruppenalltag, ein Umzug oder die Geburt eines Geschwisterkindes – können dazu führen, dass ein Kind durch Beißen auf die neuen Belastungen reagiert.
4. Emotionale Ursachen
Gefühle wie Frust, Wut, Angst oder Aufregung überfordern Kinder häufig, da ihnen die sprachlichen Mittel fehlen, diese Emotionen zu äußern. In Konfliktsituationen oder wenn sie sich in ihren Bedürfnissen nicht verstanden fühlen, greifen manche Kinder deshalb zum Beißen. Damit versuchen sie, sich durchzusetzen, sich zu verteidigen oder innere Spannungen abzubauen. Das Beißen ist in solchen Fällen ein Ausdruck starker Emotionen, die noch keinen anderen Weg gefunden haben.
5. Mangelndes Sprachvermögen
Einen weiteren wichtigen Zusammenhang betont Diplom-Psychologin Carola Hoffmann, Therapeutin und Gutachterin, und zwar das Thema Sprachentwicklung. Sie spricht in Kitas über das Thema Beißen und gibt Eltern praxisnahe Ratschläge. Kinder, die in ihrer Sprachentwicklung etwas langsamer sind, neigen häufiger zu körperlichen Reaktionen. Ihr Fazit lautet:
„Wenn sich die Kinder noch nicht ausdrücken können, greifen sie auf ihren Körper und dessen Möglichkeiten zurück.“
Fehlen also die passenden Worte, nutzen Kinder andere Wege, um Aufmerksamkeit zu erlangen – und beißen. Denn die Zähne stehen ihnen immer zur Verfügung, erfordern kaum Kraftaufwand und rufen starke Reaktionen hervor. Besonders Jungen im Trotzalter beißen öfter als Mädchen, da sie sich sprachlich weniger differenziert ausdrücken können und körperlich oft überlegen sind.
Ein Kind beißt: So arbeiten Sie eng mit den Eltern zusammen
Um mit den Eltern in das Thema einzusteigen, können Sie in einer Gruppenarbeit gemeinsam Gründe sammeln, warum Kinder beißen. Schreiben Sie hierzu auf ein Plakat: „Das kann „beißen“ alles heißen.“ Nun nennen die Eltern Vermutungen, warum Kleinkinder beißen und was sie dadurch versuchen mitzuteilen. Durch diese Gruppenarbeit setzen sich die Eltern aktiv mit dem Thema auseinander. Die Eltern finden selbstständig heraus, dass Kleinkinder, die beißen, nicht aggressiv sind. Hierdurch gewinnen die Eltern Verständnis für die beißenden Kinder und negative Gefühle gegenüber dem Beißer schwinden.
Unterstützen Sie Eltern dabei, richtig auf ihr beißendes Kind zu reagieren
Vermitteln Sie den Eltern, dass Ruhe und klare Grenzen entscheidend sind:
- Gelassen bleiben: Eltern sollten ruhig reagieren und das Kind nicht beschämen. So vermitteln sie Sicherheit und vermeiden Schuldgefühle beim Kind.
- Dem gebissenen Kind Zuwendung schenken: Zeigen Sie den Eltern, dass sofortige Empathie und, falls nötig die medizinische Versorgung der betroffenen Stelle wichtig ist. Das verdeutlicht dem Kind, dass Beißen Konsequenzen hat.
- Kurz und klar kommunizieren: Eltern können den Kindern in einfachen Worten sagen: „Beißen tut weh. Das machen wir nicht.“ Mehr braucht es in diesem Moment nicht.
Als Kitaleitung können Sie durch Rollenspiele oder kurze Demonstrationen während eines Elternabends den Eltern Sicherheit geben und die konsequente Vorgehensweise einüben. So lernen die Kinder, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat, und die Eltern fühlen sich handlungsfähig.
Konkrete Alternativen für Kinder aufzeigen: Konflikte oder Frust ohne Beißen bewältigen
Erklären Sie den Eltern, dass Kinder erst lernen müssen, ihre Bedürfnisse anders auszudrücken, und geben Sie konkrete Beispiele:
- Beißalternativen anbieten: Kinder können auf einem Beißring, einem weichen Spielzeug oder einem Kissen kauen, um Spannungen abzubauen oder beim Zahnen Linderung zu finden.
- Gefühle ausdrücken lernen: Eltern können ihr Kind ermutigen, Wut oder Frust gemeinsam „wegzutanzen“, in ein Kissen zu schlagen oder andere körperliche, ungefährliche Möglichkeiten zu nutzen, um Emotionen abzubauen.
- Sprache einsetzen: Sobald das Kind sprechen kann, sollten Eltern es gezielt ermutigen, einfache Worte wie „Stopp“ oder „Nein“ zu benutzen, um seine Bedürfnisse auszudrücken.
Durch solche klaren, greifbaren Alternativen lernen Kinder Schritt für Schritt, Konflikte ohne körperliche Aggression zu lösen. Als Kitaleitung können Sie während eines Elternabends auch kleine Demonstrationen oder Rollenspiele einbauen, um die Umsetzung anschaulich zu machen.
Rollenspiel: Die Eltern versetzen sich in die Lage des Kindes
Mit diesem kleinen Rollenspiel können sich die Eltern ganz einfach in die Lage des Kindes versetzen. Entweder spielen 2 Mitarbeiterinnen oder 2 mutige Eltern eine typische Situation vor. Sie können die Eltern auch anregen, zu zweit eine Spielsituation nachzuspielen. Das ist ganz einfach: Die Eltern oder Kolleginnen spielen Kleinkinder. Das 1. Kind hat ein begehrtes Spielzeug, das zweite Kind möchte dieses gern haben. Natürlich möchte das 1. Kind dieses nicht abgeben. Die Herausforderung besteht allerdings darin, den Gegenstand zu bekommen, ohne zu sprechen. Dies ist gar nicht so leicht. Da bleibt dem Kind nur die Möglichkeit, sich mit Körpereinsatz das Spielzeug zu verschaffen. Sicherlich werden die Eltern in dem Rollenspiel nicht beißen. Was sie aber erfahren, ist, dass den Kleinkindern nicht viele Möglichkeiten bleiben, um das begehrte Spielzeug zu bekommen bzw. zu verteidigen. Denn geduldig abzuwarten, lernen die Kinder erst mit zunehmendem Alter.
Fazit: Die „Beiß-Phase“ geht vorbei
Zunächst einmal: Verurteilen Sie ein beißendes Kind nicht. Es meint es nicht böse. Sie müssen ihm nur Wege aufzeigen, sich anders zu verhalten. Fast immer verschwindet die „Beiß-Phase“ nach kurzer Zeit wieder von ganz allein, sobald sich das Kind sprachlich besser ausdrücken kann. Hat das Kind regelmäßig und über einen längeren Zeitraum Probleme mit dem Beißen, sollten die Eltern mit ihrem Kinderarzt oder der Erzieherin der jeweiligen Gruppe sprechen. Gemeinsam können alle eine gute Lösung finden.
Nachdem die Eltern selbstständig die wichtigsten Punkte erarbeitet haben, werden sie sicherlich entspannter mit diesem sensiblen Thema umgehen. Hiervon profitieren die Kinder, die Eltern und auch Sie als Fachpersonal. Zudem stärken Sie auch die Erziehungskompetenz der Eltern.
FAQs
1. Warum beißen Kinder in der Kita?
Kinder beißen, um Gefühle wie Frust, Wut oder Überforderung auszudrücken, wenn sie ihre Bedürfnisse noch nicht sprachlich äußern können. Das Verhalten ist häufig entwicklungsbedingt und gehört in vielen Altersstufen zu normalen Lernprozessen.
2. Wie reagieren Sie, wenn ein Kind gebissen hat?
Führen Sie die Eltern an, ruhig zu bleiben, das Kind nicht zu beschämen und klar zu formulieren: „Beißen tut weh. Das machen wir nicht.“ Gleichzeitig sollten die Eltern dem gebissenen Kind Aufmerksamkeit schenken. So vermitteln Sie allen Beteiligten, dass Verhalten Konsequenzen hat, ohne Schuldgefühle zu erzeugen.
3. Was tun Sie, wenn ein Kind von einem anderen gebissen wurde?
Beobachten Sie die Situation genau und trösten Sie das gebissene Kind. Führen Sie anschließend ein klärendes Gespräch mit den Eltern des „Beißers“ und überlegen Sie gemeinsam mit dem Team, welche Ursachen vorliegen könnten und welche präventiven Maßnahmen helfen.
4. Wie können Kinder alternatives Verhalten lernen?
Kinder benötigen klare Orientierung. Erklären Sie den Eltern, dass sie dem Kind Alternativen anbieten können: Beißring oder weiches Spielzeug, Gefühle in ein Kissen schlagen oder einfache Worte wie „Stopp“ oder „Nein“ nutzen. Durch Wiederholung und Lob festigt sich dieses Verhalten.
5. Welche Signale weisen auf bevorstehendes Beißen hin?
Kinder zeigen oft Spannungen im Körper, greifen nach Spielzeug oder quengeln stark. Als Kitaleitung können Sie Eltern und Erzieherinnen schulen, diese Situationen frühzeitig zu erkennen und zu lenken.